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Kriminalfall um den Mordversuch an Gräfin Ottilie und Graf Philipp von Katzenelnbogen-Diez

 

....Professor Dr. Egg................

Kriminologische Zentralstelle e.V. Wiesbaden

 

 

Köln 1474 Juni 28
5785        Heinrich von Rübenach (de Revenaco), Bischof von Venecopolis (Venecomponensis) 1), Prof. der Theologie, Weihbischof (in pontificalibus vicarius generalis) von Mainz, Trier, Lüttich, Osnabrück, Speyer und Cambrai zum Kommissar in folgendem Kriminalfall bestellt, worüber die erzbischöfliche Vollmacht eingerückt ist 2) , bekundet, daß nach der Vorverhandlung vor dem Offizial der Kölner Kurie, wobei der Utrechter Kleriker Gieselbert von Burg als erzbischöflicher Fiskal die Anklage wegen verschiedener schwerer Verbrechen gegen den Priester der Trierer Diözese Johann von Bornich, Pfarrers der Kirche zu Bornich, vertrat, die Hauptverhandlung im oberen Saal der Kölner Kurie stattgefunden hat, nachdem Heinrich durch seinen Notar und Schreiber Marsilius die erwähnte erzbischöfliche Bevollmächtigung hatte verlesen lassen. Vertreter der Anklage war auch jetzt wieder der Fiskal Gieselbert von Burg, Angeklagter der genannte Priester Johann von Bornich.

.....Professor Dr. Egg...............

Der Fiskal führte aus: Der Beklagte hat vor dem Offizial folgendes Geständnis abgelegt: Er ist von etlichen Personen dazu gekauft worden, Anna, Tochter Graf Johanns von Nassau, Gemahlin Graf Philipps von Katzenelnbogen zu vergiften, wofür er und seine Schwester je 1000 Gulden erhalten haben. Diese Verbrechen hat er in der Woche nach Neujahr 1474 in der Kapelle zu Rheinfels begangen, als er die Messe vor der Gräfin Anna zelebrierte. Es herrschte dort nämlich die Gewohnheit, wenn die Gräfin die Messe hören wollte, einen silbernen oder kupfernen Kelch mit Wein beim Altar aufzustellen, ihn nach der Messe zu Ehren des Hl. Johannes zu weihen und dann der Gräfin darzubieten. Nachdem Johann den Kelch vorbereitet hatte, tat er Gift, und zwar Arsenik, hinein und reichte ihn nach der Messe der Gräfin in der Absicht, sie damit zu vergiften. Weil aber der zunächst so klare Wein durch das Arsenik getrübt war, fragte die Gräfin, warum der Wein so trüb sei, worauf Johann antwortete, das hätten vielleicht Vögel oder Würmer verschuldet oder es sei vielleicht Ingwer in dem Kelch zerschnitten worden. Nachdem die Gräfin davon genossen hatte, erkrankte sie. Der Arzt erklärte jedoch nach einer Urinuntersuchung, daß sie nicht Gift, sondern Fieber habe.

Befragt, wer ihn zu dieser Tat verleitet habe, erklärt der Beklagte, das seien Nikolaus Heckstädt von Boppard, Wächter auf der Burg, Gumpelhenne, Diener Landgraf Heinrichs von Hessen 3), und ein gewisser Trompeter gewesen, vor allem aber Hans von Dörnberg, der Hauptberater des Landgrafen 4) . Dieser sei kurze Zeit vor der Vermählung Annas mit Graf Philipp von Katzenelnbogen-Diez 5) im St. Goarer Wirtshaus "Zum Rad" 6) mit ihm zusammengetroffen und habe ihm auseinandergesetzt, daß der Graf alt sei und bald sterben werde, und sei in ihn gedrungen, für Geschenke und Lehen in Hessen Anna zu vergiften. Auch den genannten dreien Nikolaus, Gumpelhenne und dem Trompeter sei etwas versprochen worden, damit sie ihn weiter zu diesem Frevel überredeten. Junker Hans sei schließlich auch bei seiner Schwester gewesen und habe ihr zugesetzt, ihn zu dieser Übeltat zu verleiten, wofür er ihr schließlich 1000 Gulden versprochen habe. Seine Schwester habe dem Ansinnen stattgegeben und ihn gebeten, den Anschlag auszuführen, worauf er es getan habe.

Befragt, ob ihn auch noch andere angestiftet hätten, erklärte der Beklagte, daß ihm auch die Brüder Johann und Philipp von Pyrmont 7) ein Pferd und 20 Gulden versprochen hätten, wenn er Anna vergifte, und zwar deshalb, weil ihnend er Graf nicht geneigt sei. Dieses sei zuerst auf der Burg Ehrenberg an der Mosel und dann im Gasthaus "Zum Helm" 6) in St. Goar geschehen. Als Mitwisser hat der Beklagte ferner genannt die drei Sankt Goarer Zollbediensteten Christian, Aufseher 8) , Herrn Ludwig, Schreiber 9) , und Philipp, Zöllner 10) , den Schultheißen Anton von Sankt Goarshausen 10) und einen Peter gen. Weigandspeter ebendort, einen Peter Weber in Sankt Goar, Johann, den Bruder des Schultheißen in Wellmich, und einen Priester Georg in Hestert bei Hirzenach. Der Beklagte hat weiter bekannt, die 1000 Gulden in der genannten Herberge "Zum Rad" empfangen zu haben, auch seine Schwester hätte 1000 Gulden erhalten, und zwar habe ihm Hans von Dörnberg dieses Geld etwa im Oktober 1473 übergeben.

Der Beklagte hat außerdem angegeben, auch mehrere andere Personen vergiftet zu haben, und zwar den Priester Heinrich in Sankt Goar während einer Kapitelversammlung mittels eines durchArsenik vergifteten Stück Brotes wegen Streitigkeiten, die er und seine Schwester mit ihm hatten, weil sie beabsichtigten neben Heinrichs Haus ein neues Haus zu errichten; ferner Nikolaus, Kellner des Grafen von Katzenelnbogen-Diez 11), während seien Rechnugnsgeschäfte in seiner Stube mittels vergifteten Weines; ferner den Edlen Werner von Weittgenstein , Probst zu Sankt Gereon (in Köln), auf Anstiften eines Martin Artstein von Klobenz, dem der Propst etwas schuldete, aber nichts bezahlte, wofür er 20 Gulden erhalten habe, hierzu habe ihn auch Nikolaus Kellenbach verleitet; ferner den Ritter Johann Duden in Sankt Goar in der letztvergangenen Fastenzeit. Der Beklagte hat ferner gestanden, von Nikolaus Mober in Wolfhagen angestiftet worden zu sein, einen gewissen Andreas, Vikar in Mainz, zu vergiften, was er auch übernommen, jedoch nicht ausgeführt habe. Er sei ihm ferner nahegelgt worden, den Mainzer Erzbischof zu vergiften, was er jedoch nicht versucht habe. - Schließlich hat der Beklagte gestanden, noch mehrere Priester und andere Personen während der Streitigkeiten zwischen Pfalzgraf Ludwig bei Rhein und dem Grafen Philipp von Katzenelnbogen-Diez 12) vergiftet zu haben, mehrere Geld- und Getreidediebstähle ausgeführt, vier Jahre lang nicht mehr gebeichtet, gleichwohl aber zelebriert zu haben.

Dieses alles hat der Beklagte gemäß den Ausführungen des Fiskals sowohl auf der Folter wie später auch ohne Tortur vor Kommissar, Notaren und Zeugen gestanden. Das Arsenik für seine Vergiftungen hat Johann nach seinen Angaben von einem Würzkrämer eingekauft, und zwar auf dem Jahrmarkt, der in Sankt Goar am Freitag nach Martini stattzufinden pflegte, unter der Angabe er wolle verdorbene Eier damit behandeln. - Der Kläger beantragte, den Priester Johannes zu degradieren und nach der Degradation an das weltliche Gericht zu übergeben. Der Angeklagte, darauf zu den einzelnen Punkten befragt, gab seine Schuld Punkt für Punkt zu, wobei er die Wahrheit der gegen Hans von Dörnberg gerichteten Beschuldigungen erneut betonte, widerrief aber folgende Aussagen: Die Mitschuld und Beteiligung seiner Schwester, die Anstiftung durch Johann und Philipp von Pyrmont, die Mitwisserschaft der drei Zollbediensteten und der anschließend Genannten, die Aushändigung der 1000 Gulden durch Hans von Dörnberg, die er ihm zwar zugesichert, aber nicht bezahlt habe, die Anstiftung durch Nikolaus Kellenbach und den Versuch, zu dem ihn angeblich Nikolaus Mober von Wolfhagen verleitet habe, die Vergiftung des Johann Duden und den Anschlag auf den mainzer Erzbischof.

Der Ankläger entgegenete den Ausführungen des Beklagten und forderte nochmals das obige Urteil, worauf dieser um Gnade bat. Hierauf fällte der Weihbischof Heinrich nach Beratung mit den anderen Weihbischöfen und mit Doktoren beider Rechte unter Zustimmung der Bischöfe im Namen Christi und allein Gott vor Augen habend das endgültige Urteil. Es lautete in Anbetracht der verdammenswürdigen Giftmorde und Anschläge des Priesters Johannes sowie der anderen von ihm begangenen Verbrechen auf Aberkennung seiner geistlichen Vorrechte, Ausstoßung aus dem Priesterstand und Degradierung.

Nachdem dieses Urteil gefällt worden war, wurde Johann degradiert und der weltlichen Macht übergeben.

Hierfür wurde das vorliegende Instrument durch Marsilius von Zwolle, Hauptschreiber des Weihbischofs Heinrich, und Heinrich von Horst, öffentlichen Notaren der Kölner Kurie, angefertigt und mit dem Siegel des ausstellenden Weihbischofs besiegelt. Verlesen, vollzogen und ausgefertigt wurde dieses Endurteil auf Rat und mit Zustimmung der genannten Weihbischöfe zu Köln im oberen Saale der erzbischöflichen Kurie im Jahre 1474 am Dienstag den 28 Juni. - Hierbei waren zugegen: Wilhelm von Breitbach, Abt von Sankt Heribert, ......und der Kölner Stadtschreiber Mathias Krain.

Signet und Unterschrift der beiden Notare der Kölner Kurie Heinrich von Horst und Mardilius von Zwolle, Kleriker der Utrechter Diözese.

II

Am 28 Juni 1474 waren zu Köln sieben Weihbischöfe, alle in Pontifikalgewändern, gleich als ob sie einen Altar oder eine Kirche weihen wollten; sie degradierten auf dem Domhof vor dem Saale einen Geistlichen, welcher viele Leute vergiftet und auch versucht hatte, den Grafen Philipp von Katzenelnbogen-Diez und seine Frau Anna zu vergiften, obwohl diese ihm und seiner Schwester viel Gutes getan hatten. Die Degradierung erfolgte unter stückweiser Wegnahme der priesterlichen Gewandung in umgekehrter Folge wie bie einer Priesterweihe; zuletzt setzte man ihm eine kleine Kapuze auf. Der Priester hatte im Saale vor dem Offizial, vor den Weihbischöfen, den städtischen Ratsleuten und allen dort Anwesenden großen Schlechtigkeiten bekannt, die der bereits getan hatte und teils noch tun sollte, wofür er große Geldzuwendungen erhalten hatte; zudem hatte er jahrelang nicht gebeichtet, aber dennoch Messe gelesen. Er wurde ohne Beichte beim Galgen in der Kesselkule verbrannt.

Den Prozeß und die Degradierung hatte, wie der Chronist sagen hörte, ein Graf Johann von Nassau unter schweren Kosten aus folgenden Gründen in die Wege geleitet: Der damalige katzenelnbogener Graf war ein recht alter Mann, der keine Manneserben hatte, da sein Sohn Eberhard vorzeiten zu Brügge in Flandern erstochen worden war 13). Seine Tochter Anna aber war schon seit längerer Zeit mit Landgraf Heinrich von Hessen vermählt 14). Daraufhin ward Graf Philipp von seiner Landschaft gedrängt, erneut zu heiraten, damit die Grafschaft einen Manneserben erhalte und nicht an einen fremden Stamm falle; Graf Philipp von Katzenelnbogen-Diez heiratete demzufolge eine Nassauer Gräfin 5). Jetzt aber wurde der oben genannte Priester von Sankt Goar, der katzenelnbogener Kaplan war, gedungen, die Gräfin zu vergiften, was er bei der Spülung nach dem Sakrament versuchte, um dieses Anliegen der Landschaft zu verhindern. Man munkelte schon bald von gewissen Leuten, die das angestiftet hätten 15).

 

I. Ausführung ehemals im nassau-dillenburgischen Archiv, 1824 an das königliche Hausarchiv der Niederlande abgegeben. - Kop. (18.Jh) StA. Wiesbaden , Abt 170 Urkk.-abschriften.
                Druck: Arnoldi, Miscellaneen S. 180ff. - Stark verkürztes Regest; Diemar, Hessen und die Reichsstadt Köln im 15. Jh. (MOHG NF. 8, 133). - II Koelhoffs kölnische Chronik in: Deutsche Städtechroniken XIV SS 833 f.

1) In Armenien, Suffragan von Sergiopolitan

2) Vgl Nr. 5784

3) Zweifellos identisch mit dem engen Vertrauten Landgraf Heinrichs III von Hessen, gewöhnlich Compenhans und Hans Kumpppe genannt. Er war wahrscheinlich ein Sohn des von 1450- 79 in Eschwege bezeugten landgräflichen Boten gleichen Namens (STA Marbur, Ma. Rechungen, Eschwege) und begegnet seit Anfang 1459 in landgräflichen Diensten (ebendort Felsberg), in denen er dauernd verbleibt. 1483 Jan 13 erscheint er als Zeuge des Testaments Landgraf Heinrichs; sseit 1489 ist er als amtmann in spangenberg und seit 1492 als Rat Landgraf Wilhelms II nachzuweisen; gestorben ist er im Frühjherbst 1497(vgl. Gundlach, Hessisches Dienerbuch S. 136 wo aber die beiden nacheinander aufgeführten Personen gleichen Namens zusammenzuziehen sind)

4) Vgl dazu Gundlach a.a.O. und untern Nrr. 5793, 5805

5) Vgl Nr 5765

6) Wird als oft aufgesuchtes Gasthaus, in dem auch der Graf öfters zu finden war, in den k. Rechnungen häuiger genant,

7) Gräfliche Lehnleute vgl. Nrr. 5411, 5429

8) Ist in k. Rechnungen nachzuweisen.

9) Ludwig Hammer 1473-80 bezeugt

10) Sonst nicht nachzuweisen

11) Wohl identisch mit Klaus Bedcker, 1456 Kellner zu Rheinfels

12) Beziehuzng unklar

13) Diese Nachricht ist bisher immer, aber unzutreffend, auf Graf Philipp d. J. bezogen worden, da dieser am 278 Gebr. 1453 in Darmstadt verschied und im k. Erbbegräbnis im Kloster Eberbach beigesetzt wurde (vgl Nr. 4775): Da die Koelhoffsche Nachricht jedoch von Wenck I, 594 übernommen wurde hat sie sich zäh behauptet und ist zuletzt noch in einer "geschichtlichen Novelle" C. Spielmanns, Die Blüte von Katzenelnbogen (Nassovia 1900 S. 171ff.) phantasiereich ausgestaltet worden. Es kann sich jedoch bei dieser Nachricht, wenn sie sachlich zutreffen sollte, nur um eine Mitteilung über den Tod des Grafen Eberhard handeln (vgl Einleitung Anm. 117 und Nr. 4945).

14) Vgl Nr. 4957

15) Die Vermutung von Diemar a.a.O. S. 56 Anm, dasß auf den Kölner Gaffeln noch 1480, also 6 Jahre nach diesem Ereignis und ein Jahr nach Graf Philipps Tode, hierher gehörige Äußerungen gegen Landgraf Heinrich gefallen seien, ist wenig wahrscheinlich. Dagegen ist kaum zu bezweifeln, daß bei den schweren Belastungen, die die engsten Vertrauten des Landgrafen Hans von Dörnberg und Compenhans durch den veruteilten Priester erfahren hatten der Verdacht der Urheberschaft schon gleich auf den Landgrafen fallen mußte.

 

 

 

 

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